14. April 2019

„Gesell“schaft

Eine Geschichte eines Mannes, die aufzeigt wie Lebensläufe in unserem Land, unter unseren Nächsten, Nachbarn, Freunden und Verwandten verlaufen können.

Stell dir vor, du arbeitest dein ganzes Leben auf ein Ziel hin, FAMILIE, ANKOMMEN, Haus, Kind, samstags den Rasen mähen und mit den Nachbarn grillen. Klingt spießig as fuck? Es IST spießig as fuck und war meine größte Sehnsucht: Diese Fata Morgana, dass ich nur die Umstände…

…ändern müsste, dass alles nur hinreichend perfekt sein müsse, Haus im Grünen, Normalität (?), den Leidensdruck auf ein Minimum senken, um dadurch MICH zu ändern, mich anzupassen wie ein geschältes, warmes Ei in einer viereckigen Box, bis ich selbst viereckig bin.

Natürlich hat das nicht funktioniert, natürlich hab ich es VERSUCHT, versuchen müssen, um beim Überschreiten der Ziellinie eben dies zu erkennen: Das gelobte Land war dahinter nicht zu finden. Und in all dem, völlig ausgebrannt und gemästet mit Schuldgefühlen,

meine Frau, meine Tochter verlassen zu haben, als ich am Boden war und dieses Kind der einzige Grund, noch hier zu sein, haben meine Freunde mir gezeigt, was ich ihnen bedeute: einen Scheiß. Stell dir vor, du liebst deine Freunde, so sehr, dass du alles für sie tun würdest.

Ein Büro mieten und einen davon anstellen z.B., zwei Jahre in Vollzeit, ohne, dass es DIR wirklich etwas bringt, er aber seine Miete und seine Tankfüllung bezahlen kann. Stell dir vor, du machst mit ihm und einem anderen Musik, viele Jahre, kümmerst dich um alles

kaufst das Zeug, motivierst, bist DA, immer, bringst die Band auf die Bühne, fährst drölfzig Mal zusammen zu Rock am Ring. Und dann brauchst DU Hilfe, sitzt krank und zerrissen und heulend in der Bandprobe. Und bekommst: NICHTS. Nicht mal ein „alles klar bei dir?“.

Ich brauche nicht viel zum Leben, aber eines gewiss: Den festen Glauben an das Gute im Menschen. Und so stand ich da, getrennt, geschieden, gescheitert, die Band verlassen und ausnahmslos alle Menschen aus meinem Leben gestrichen, die mir diesen Glauben geraubt haben.

Und dann: Twitter. IRGENDWO DA DRAUSSEN MÜSSEN SIE DOCH SEIN, diese Menschen. Das Gute. Etwas Hoffnung. EineMieteWeniger. Angst davor, nur Häme und Misstrauen zu ernten. Und was habt ihr getan? Ihr habt mir diesen gottverdammten Glauben zurückgegeben.

Ich habe mich erholt, ich habe hier und mittlerweile auch da draußen so viele neue Menschen kennengelernt, neue Freunde gefunden, eine Beziehung, Glück, Frieden, Schuld überwunden, meine Vaterrolle angenommen, es ging mir nie besser.

Es ist nur MEINE ganz persönliche Geschichte und Sicht der Dinge, aber für mich ist das hier, seid ihr auf so vielen Ebenen wertvoll. Es war mir heute (in der Stadt gerade alten „Freund“ getroffen, er ging wortlos an mir vorbei) ein dringendes Bedürfnis, euch das zu sagen. Ende.


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